Der Cardo Maximus in Jerusalem

Das moderne Wandgemälde des Cardo

Der Cardo Maximus in Jerusalem ist eine ehemalige römische Straße aus byzantinischer Zeit. Der Begriff „Cardo“ bedeutet im Griechischen „Herz“ und er bezeichnet die für das Stadtbild einer römischen bzw. byzantinischen Stadt typische, meist in Nord-Süd-Richtung verlaufende Hauptachse. Der Cardo von Jerusalem führte ursprünglich vom nördlichen Stadttor, dem heutigen Damaskustor, zum südlichen, dem jetzigen Dungtor (auch Misttor), dem Hauptzugang zur Klagemauer.

Der teilweise ausgegrabene Teil des Jerusalemer Cardo führt durch das heutige westliche jüdische Viertel. Es gibt hier einen archäologischen Garten und ein kleines Museum. Auf dem rekonstruierten Abschnitt des Cardo, etwa vier Meter unterhalb des heutigen Straßenniveaus, kann man heute spazieren wie die Menschen vor 1500 Jahren. Man kann hier die großen und breiten Säulen, die Säulengänge sowie die großen Steinplatten, mit denen die Cardo gepflastert war, sehen.

Der Cardo unter freiem Himmel
Der Cardo unter freiem Himmel

Der ursprüngliche Teil des Cardo stammt aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. Der römische Kaiser Hadrian hatte die zerstörte Stadt Jerusalem nach der Niederschlagung des jüdischen Aufstandes gegen das Römische Reich unter Führung von Simon Bar-Kochba 136 n. Chr. im römischen Stil wieder aufbauen lassen und benannte sie in „Aelia Capitolina“ um. Die römische Stadt ließ er wie ein römisches Lager anlegen.

In dem teilweise ausgegrabenen südlichen Teil des Cardo wurden archäologischen Relikte gefunden, die aus dem 6. Jahrhundert n.Chr. stammen. Möglicherweise war der byzantinische Kaiser Justinian I. (527-565 n.Chr.) der Auftraggeber für den Bau dieses Teiles des Cardo. Zur Zeit Justinians war die Stadt ein wichtiges christliches Zentrum mit einer rasch wachsenden Bevölkerung geworden. Der südliche Abschnitt des Cardo verband die beiden wichtigsten Kirchen jener Zeit, die heute nicht bestehende Nea-Kirche und die Grabeskirche, miteinander. Mit einer Breite von 22,5 m trug er dem zunehmenden Verkehrsaufkommen jener Zeit Rechnung und war geeignet für repräsentative Zwecke, wie z. B. religiöse Prozessionen.

Als die Araber im 7. Jahrhundert n. Chr. die Stadt eroberten, änderten sich nach und nach Aussehen und Aufgaben des Cardo. Auf beiden Straßenseiten wurden neue Werkstätten und Läden gebaut. In der Kreuzfahrerzeit entstanden auf dem Areal des Cardo drei überdachte Märkte. Manche der Gewölbe tragen Kreuzfahrermarkierungen, wie bspw. „SA“ für „Kloster zur Heiligen Anna“ oder „T“ für den „Templerorden“.

Die heutige Teilung der Altstadt von Jerusalem in die vier Viertel, das jüdische, das christliche, das muslimische und das armenische, geht in weiten Teilen noch auf die römische Anlage der Stadt mit ihrer Teilung durch Cardo und Decumanus zurück. Senkrecht zum Cardo wurde oft, wie auch hier in Jerusalem, eine in Ost-West-Richtung verlaufende Straße angelegt, der Decumanus.

Auf der berühmten Mosaikkarte von Madaba aus dem 6. Jh., die man 1884 im heutigen jordanischen Madaba entdeckte, ist der Cardo von Jerusalem deutlich zu erkennen. Die Mosaikkarte von Madaba ist die älteste überlieferte kartografische Darstellung von Jerusalem. Besucher der Cardo in Jerusalem können eine Replik der Karte, sowie ein großes Wandgemälde von Studenten der französischen Kunsthochschule „Création de la Cité“ sehen. Das Wandgemälde stellt die Cardo dar, wie sie vor 1500 Jahren ausgesehen hat – eine lebendige Straße mit Händlern, die ihre Waren ausstellen, zudem ein überdachter Gehweg mit Tieren und bunt gemischten Charakteren.

Der Cardo wurde nach 1967 bei Schachtarbeiten zum Wiederaufbau des Jüdischen Viertels der Altstadt Jerusalems, das während der Zeit der jordanischen Besatzung von 1948 bis 1967 systematisch zerstört und unbewohnbar gemacht worden war, entdeckt. Die Ausgrabung des Cardo begann im Jahre 1975 und dauerte 2 Jahre unter der Leitung von Architekten Peter Bogod, Esther Krendel und Shlomo Aronson. Ein circa 200 m langer Abschnitt des Cardo wurde etwa 4 m unter dem heutigen Straßenniveau freigelegt. Der Cardo war eine Kolonnadenstraße und wurde durch zwei Reihen steinerner Säulen in eine breite Straße und zwei 5 m breite, überdachte Passagen zu beiden Seiten gegliedert. Die 5 m hohen Säulen wurden in ihrer ursprünglichen Stellung im Cardo rekonstruiert. Einige Teile des Cardo befinden sich unter den modernen Häusern des jüdischen Viertels.

Der überdachte Cardo
Das moderne Wandgemälde des Cardo
Über dem Cardo befinden sich z. T. Häuser des jüdischen Viertels

Der Cardo ist eine der Sehenswürdigkeiten im jüdischen Viertel und befindet sich mit seinen einsehbaren Teilen in der Nähe der Hurva-Synagoge.